Wird sich Munnicher später vergiften?
Munnicher wird sich nicht vergiften - das macht Reding schon im Titel
unmissverständlich klar: durch die Handlung des Apothekers bekommt er vielmehr
ein neues Leben (so lautet der übersetzte Name der Apotheke). Und dieses
neue Leben sieht er im Spiegel (Zeile 100), wo man gewöhnlich sich selbst sieht:
es ist sein neues Leben, das er im Spiegel sieht.
Wodurch aber hilft ihm der einarmige Apotheker? Es ist nur schwer vorstellbar,
dass jemand nur deshalb, weil eine Apotheke ‚Vita Nova’ heißt, plötzlich neuen
Lebensmut fasst. Die entscheidende Hilfe besteht darin, dass der Apotheker
Munnicher nicht einfach sich selbst überlässt: er fertigt ihn nicht einfach als
normalen Kunden ab und verdient sein Geld, wie man es beim ersten Besuch in der
Apotheke glauben könnte (Zeile1-62), sondern er übernimmt Verantwortung für sein
Tun (Vorbild) und kümmert sich – ganz ohne Pathos, ohne viele Worte, ohne
ausdrückliche Vorwürfe – um ihn. Er gibt ihm dabei nicht nur eine neue Chance
und Zeit, um sich über sein Verhalten klar zu werden, außerdem zeigt er ihm
auch, dass sich jemand um ihn kümmert und dass er also einen Wert besitzt und
eben nicht diese ‚zertretene, weggeworfene Menschenpflanze Munnicher’ (Zeile
9f.) ist, für die er sich gehalten hat.
Das Symbol der Hustenbonbons , die Munnicher am Ende kauft (letzter Satz),
unterstreichen diese Deutung.
Hustenbonbons machen das Leben nicht nur angenehmer, und würden von
Selbstmördern folglich nicht benötigt, sondern sie stehen im Kontext der
Kurzgeschichte auch symbolisch für Lebensbejahung.
Munnicher erwägt, sich Hustenbonbons zu kaufen, um die junge Frau nochmals sehen
zu können, die ihm sympathisch war (Zeile 56ff.). An dieser Stelle verwirft er
das mit der Begründung, dass er das vielleicht in der Zeit vor seinem
Gefängnisaufenthalt, als er noch nicht lebensmüde war, getan hätte, nun aber
wertet er das als ein belangloses ‚Mätzchen’ (Zeile 59) ab. Der Kauf von
Hustenbonbons bedeutet in diesem Zusammenhang, dass er wieder an sein Leben vor
dem Gefängnis anknüpft, dass er auf sympathische Menschen zugeht, dass er
Lebensmut besitzt. Er sieht beim ersten Besuch vom Kauf der Bonbons ab (Zeile
59ff.)
Dieser optimistischen Deutung scheint zu widersprechen, dass das nette
Mädchen bei Munnichers zweitem Apothekenbesuch nicht mehr anwesend ist. Reding
bemerkt das ausdrücklich (Zeile 99f.) und leert damit eine Stelle, an der ein
Symbol für ein neues Leben hätte stehen können: eine schöne Frau, Liebe.
Damit verhindert er verkürzte Deutungen seiner Kurzgeschichte, die sonst
behaupten könnten, dass Munnicher sich verliebt habe und deshalb weiter leben
wolle. Weil das Mädchen fehlt, ist es der Apotheker, dessen Verhalten Munnicher
neuen Lebensmut vermittelt.
Der Name der Apotheke ist Programm. Erläutern Sie, warum die Apotheke
Vita Nova heißt.
Munnicher gehört zu den 14% der Kunden, die sich beschweren...